Das weltweit erste Experiment mit einer universellen Arbeitsplatzgarantie hat die Langzeitarbeitslosigkeit beseitigt. Gleichzeitig sind die Teilnehmer_innen glücklicher, finanziell abgesichert und engagieren sich stärker für ihre Gemeinschaft, wie neue Ergebnisse zeigen.
Das Experiment, das gerade seine erste Phase abgeschlossen hat, wurde von Wirtschaftswissenschaftlern der Universität Oxford konzipiert und wird derzeit ausgewertet. Es wird vom niederösterreichischen Arbeitsmarktservice durchgeführt. Das Programm, das 2020 in der österreichischen Gemeinde Marienthal gestartet wurde, ist einzigartig, da es jedem/jeder Einwohner_in, der länger als 12 Monate arbeitslos ist, eine universelle und bedingungslose Garantie für einen gut bezahlten Arbeitsplatz bietet.
Die wichtigste Ergebnisse:
Sven Hergovich, Geschäftsführer des Arbeitsmarktservice Niederösterreich und Initiator des Programms, sagte: „Ich hatte große Hoffnungen, als wir das Programm starteten, aber diese positiven Ergebnisse übertreffen sogar meine Erwartungen.“
Die Teilnehmer_in des Programms werden bei der Arbeitssuche unterstützt und erhalten eine garantierte bezahlte Arbeit im privaten oder öffentlichen Sektor. Sie verdienen zumindest den Kollektivvertrag, sodass ihr Einkommen über ihren bisherigen Sozialleistungen liegt. Die Teilnahme ist freiwillig, Sanktionen sind nicht vorgesehen.
Maximilian Kasy, Professor an der Universität Oxford und Autor der Studie, sagte zu den heutigen Ergebnissen: „Es ist beeindruckend zu sehen, was für einen Unterschied das Programm gemacht hat. Ja, die Menschen hatten mehr Geld, aber die positiven Auswirkungen gingen weit über das Wirtschaftliche hinaus: Sie waren glücklicher, stärker in ihrer Gemeinschaft verwurzelt und hatten das Gefühl, ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen zu können.
Die Teilnehmer des Programms erhalten zu Beginn eine zweimonatige Vorbereitung, einschließlich Einzelunterricht, Beratung und – bei Bedarf – Unterstützung durch erfahrene Sozialarbeiter_innen, Ärzt_innen und Psycholog_innen. Anschließend werden sie bei der Suche nach einem geeigneten und subventionierten Arbeitsplatz in der Privatwirtschaft unterstützt oder bei der Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes, der auf ihren Fähigkeiten und ihrem Wissen über die Bedürfnisse ihrer Gemeinschaft beruht. Ein Jahr österreichische Arbeitslosigkeit kostet rund 30.000 € pro Person, während das Projekt 29.841 € pro Teilnehmer und Jahr kostet.
Lukas Lehner, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Oxford und Autor der Studie, merkte an: „Langzeitarbeitslosigkeit hinterlässt Narben im Leben und schadet den Gemeinden, doch die Arbeitsplatzgarantie in Marienthal zeigt, dass es möglich ist, diesen Schaden mit einer erschwinglichen, innovativen Sozialpolitik praktisch zu beseitigen. Die Menschen wollen eine sinnvolle Arbeit zu einem fairen Lohn, und wenn wir ihnen dabei helfen, kommt dies uns allen zugute.
Einer der Teilnehmer, Johann, 65 Jahre alt, sagte: „Vor der Schließung habe ich 38 Jahre lang in einem örtlichen Chemieunternehmen gearbeitet. Bisher [im Rahmen der Arbeitsplatzgarantie] habe ich in der Renovierungsbranche gearbeitet und konnte meine Fähigkeiten auf vielfältige Weise einsetzen. Mit Hilfe der Beschäftigungsgarantie werde ich im Oktober 2022 als Lagerarbeiter in einem Recyclingunternehmen anfangen.“
Ein anderer Teilnehmer, Mohamad, 44 Jahre alt, fügte hinzu: „[Die] Jobgarantie bietet die Möglichkeit, jeden Tag zu arbeiten und etwas Neues zu lernen. Ich bin dankbar für die Hilfe, die die Jobgarantie bietet; sie ist wichtig für mich.“
Werner V., 60 Jahre, berichtet: „Nach mehr als 600 Bewerbungen erwies sich mein Wunsch nach einer Beschäftigung als hoffnungslos. Zu alt, zu teuer, aufgrund meines Alters ohne langfristige Perspektive, scheinbar überqualifiziert für Dienstleistungsjobs... es schienen viele Hindernisse zu bestehen. Die Jobgarantie erwies sich für mich als äußerst wertvoll und nützlich. In Zusammenarbeit mit der Gemeinde und dem Heimatmuseum archiviere und dokumentiere ich den kulturellen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Wert des historischen Ortes Marienthal.
Fallstudien:
Seit Beginn des Programms wurden Arbeitsplätze in den Bereichen Schreinerei, Renovierung, Gartenarbeit, Altenpflege und Büroverwaltung geschaffen. Einige Projekte wurden von den Teilnehmer_in selbst ins Leben gerufen, und mehrere unterstützen kommunale öffentliche Einrichtungen, darunter die örtliche Schule und den Kindergarten.
Warum Marienthal?
Die strukturelle Arbeitslosigkeit in Österreich steigt seit den 1980er Jahren und wurde durch die COVID-19-Pandemie noch verstärkt. Als dieses Pilotprojekt im August 2020 begann, war etwa jeder/jede fünfte Arbeitslose in Niederösterreich seit mehr als einem Jahr auf Jobsuche.
Marienthal hat in der Vergangenheit dazu beigetragen, unser Verständnis für Beschäftigungsfragen zu erweitern: In den 1930er Jahren wurde in der Stadt eine bahnbrechende Sozialforschungsstudie durchgeführt, in der untersucht wurde, wie sich die Massenarbeitslosigkeit nicht nur auf das Einkommen, sondern auch auf die Gesundheit, das Wohlbefinden, die sozialen Bindungen und das Gemeinschaftsleben auswirkt. In dieser neuen Studie wird nun der gegenteilige Effekt untersucht: wie sich die Wirtschaft, die Gemeinschaft und das Leben der Menschen durch den Zugang zu garantierter Beschäftigung verändern.
Weiterführende Informatione zu Projekt, Studie und Studienautor_innen:
Anmerkung und Rückfragehinweis für die Redaktion:
Die vollständige Studie ist erhältlich auf Anfrage beim AMS NÖ,
martina.fischlmayr@ams.at oder
+43 664 83 50
Quelle: AMS News NÖ / 03-12-2022
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