Das Frauenprogramm des AMS als eine Antwort auf die Corona-Krise?

Das Frauenprogramm des AMS als eine Antwort auf die Corona-Krise?

9. Oktober 2020 -  Ina Freudenschuß / Nadja Bergmann

Untersuchungen zeigen, dass spezifische Beratungs- und Weiterbildungsangebote des Arbeitsmarktservice (AMS) für Frauen größere Effekte erzielen als andere, vergleichbare AMS-Angebote. Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Arbeitslosigkeit sollten auf diesen Erfahrungen aufbauen.

Frauenspezifische Angebote in Zeiten der Krise

Deutlicher als in früheren Krisen sind Frauen von der coronabedingten Arbeitslosigkeit stark betroffen. Auch medial wurde über diese Aspekte relativ ausführlich bzw. für österreichische Verhältnisse überraschend oft berichtet.

Wie konkret diesen Umbrüchen in der Arbeitswelt begegnet werden kann, ist gerade Gegenstand vielfältiger Auseinandersetzungen. Umfassende Ansätze für den Arbeitsmarkt – etwa eine Arbeitsmarktoffensive, konjunkturelle Maßnahmen, eine öffentliche Beschäftigungspolitik – werden diskutiert. Frauenpolitische, aber auch frauenspezifische Ansätze dürfen dabei nicht aus dem Blick genommen werden.

Dieser Beitrag möchte anhand aktueller Daten und einer kürzlich abgeschlossenen Studie zeigen, dass vor allem dort, wo spezifische Bedürfnisse unterschiedlicher Gruppen von Arbeitslosen berücksichtigt werden, diese auch tatsächlich in höherem Ausmaß von Maßnahmen profitieren.

Das Gesicht der coronabedingten Arbeitslosigkeit

Aktuelle Untersuchungen haben gezeigt, dass die sogenannte „Corona-Arbeitslosigkeit“ ein anderes Gesicht hat als herkömmliche konjunkturbedingte negative Entwicklungen am Arbeitsmarkt. Mit Beginn des Lockdowns im April erreichte die Arbeitslosigkeit einen historischen Höchststand von 571.000 Menschen. Lag traditionell die Arbeitslosenquote bei Männern immer etwas höher als bei Frauen, hat sich das Verhältnis seit April umgekehrt. Während die Männer-Arbeitslosigkeit bereits im März ihren Höhepunkt erreicht hatte (und seither auch wieder sinkt), kehrte sich der Trend bei den Frauen erst mit April um.

Wiedereinsteigerinnen besonders stark betroffen

Weiters lässt sich feststellen, dass die Corona-Arbeitslosigkeit vor allem bei der verletzlichen Gruppe der Wiedereinsteigerinnen stark verbreitet ist. Dabei handelt es sich um beim AMS arbeitslos gemeldete Personen mit Kinderbetreuungspflichten, die weniger als ein Jahr seit dem Ende der Karenz erwerbstätig waren. Im April 2020 stieg die Anzahl der Wiedereinsteigerinnen unter den Arbeitslosen um 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch im Juli 2020 ist die Zahl der arbeitslosen Wiedereinsteigerinnen um 43 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum.

Gerade bei Wiedereinsteigerinnen besteht die Gefahr – wie Erfahrungen auch aus früheren Krisen zeigen –, dass schwierige arbeitsmarktpolitische Rahmenbedingungen zu einem Rückzug aus dem Arbeitsmarkt führen können. Dies trifft vor allem Frauen in ländlichen Regionen mit weniger gut ausgebauten Kinderbetreuungsangeboten bzw. Frauen aus Branchen mit schwierigen Arbeitsbedingungen. Längerfristige negative Auswirkungen auf ein zukünftiges eigenständiges Erwerbseinkommen werden ausgeblendet bzw. müssen in Kauf genommen werden. Für Deutschland liegt hierzu eine erste Auswertung vor, die zeigt, dass es vor allem Frauen mit kleinem Einkommen sind, die ihre Jobs aufgeben, um dem Partner mit dem höheren Einkommen noch stärker als zuvor „den Rücken freizuhalten“.

Anstieg bei höher gebildeten Frauen stärker als bei höher gebildeten Männern

Eine geschlechtsspezifische Auswertung der Corona-Arbeitslosigkeit nach Bildungsabschlüssen macht zudem deutlich, dass die Erwerbsarbeitslosigkeit bei höher qualifizierten Frauen (akademische Ausbildung, höhere Ausbildung, die mit Matura abschließt) deutlich stärker angestiegen ist als bei den höher qualifizierten Männern. Der Trend wurde bereits im April 2020 sichtbar und setzte sich im Verlauf des Jahres bis heute fort.

Auch die Branche macht einen Unterschied

In den Branchen Tourismus/Gastgewerbe und Handel gibt es einen hohen Frauenanteil bei den Beschäftigten. Diese Branchen waren besonders von den Lockdown-Maßnahmen betroffen und werden sich wohl erst mittelfristig davon erholen. Zwar kam es im Sommer im Tourismus zu einer Halbierung der Arbeitslosenzahlen auf rund 51.000 Personen, doch lag die Branchen-Arbeitslosigkeit im Juli immer noch um 86 Prozent höher als im Jahr davor.

Im Handel erfolgte der Abbau der Arbeitslosigkeit deutlich schleppender: Von fast 70.000 Arbeitslosen im April 2020 verringerte sich der Bestand auf rund 58.000 Arbeitslose im Juli 2020. Die Arbeitslosigkeit lag im Juli damit um 39 Prozent höher als im Jahr davor.

Bedarfsgerechte Antworten auf die in der Corona-Pandemie arbeitslos gewordenen Menschen sollten auf diese Spezifika eingehen und berücksichtigen, dass die betroffenen Personen branchenspezifische Lösungen brauchen, zum Teil bereits höher qualifiziert sind und oftmals Betreuungspflichten zu bewältigen haben.

Gleichstellungswirkung unterschiedlicher AMS-Angebote

Vor diesem Hintergrund ist es besonders wichtig, Erkenntnisse aus arbeitsmarktpolitischen Interventionen für diese Ausnahmesituation aufzubereiten, mit einem Fokus auf jene Zielgruppen, die es am Arbeitsmarkt auch ohne Corona-Krise nicht wirklich einfach haben.

Eine aktuelle Studie, auf die wir in diesem Zusammenhang eingehen wollen, beschäftigte sich im Auftrag des AMS mit der Gleichstellungswirkung arbeitsmarktpolitischer AMS-Angebote. Sie wurde im Jahr 2020 „vor Corona“ von L&R Sozialforschung durchgeführt.

Die Gleichstellungwirkung der AMS-Maßnahmen (wie Beratungen, Weiterbildungen, Ausbildungen) wurde dabei entlang der Entwicklung der Erwerbsintegration, Arbeitszeit, Einkommen, Qualifikation, Positionierung am Arbeitsmarkt und Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrachtet. Kurz zusammengefasst, zeigte die Wirkungsanalyse, dass die TeilnehmerInnen zwar insgesamt von den Angeboten profitierten, etwa indem sie danach häufiger in Beschäftigung waren. Bestehende geschlechtsspezifische Schieflagen – etwa Einkommensunterschiede oder die unterschiedliche Arbeitszeitverteilung – bleiben aber bestehen.

Vor allem dort, wo „frauenspezifisch“ draufsteht, werden Frauen unterstützt

In der Studie wurden neben den allgemeinen AMS-Maßnahmen auch die Frauenberufszentren und der frauenspezifische Kurs „Wiedereinstieg mit Zukunft“ auf ihre Gleichstellungswirkung hin untersucht.

Frauenspezifische AMS-Angebote wie die Frauenberufszentren oder der Wiedereinsteigerinnenkurs bauen darauf auf, dass Arbeitslosigkeit (auch) durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen, wie z. B. Diskriminierung am Arbeitsmarkt oder fehlende Kinderbetreuungseinrichtungen, ausgelöst wird. Qualifizierungen allein befähigen die betroffenen Personen somit nicht, eine existenzsichernde Arbeitsstelle zu finden. Ebenso wichtig ist es, arbeitslosen Frauen individuelle Hilfestellungen bei besonderen Problemlagen (vgl. alleinerziehend, von Gewalt betroffen, Branchen-Lohnstrukturen) anzubieten.

So wird im Programm „Wiedereinstieg mit Zukunft“ die Kinderbetreuungssituation explizit mit der Kundin bearbeitet, und bei Bedarf werden auch Kinderbetreuungsplätze vermittelt. Berichten Frauen von sozialen Problemen werden diese an spezialisierte Beratungsstellen weitergeleitet. Qualifizierungen im Rahmen der Frauenberufszentren und des Programms „Wiedereinstieg mit Zukunft“ werden so angeboten, dass eine Teilnahme auch für Menschen mit Betreuungspflichten möglich ist. Im Rahmen der Karriereberatung werden sozioökonomische Strukturen in die Analyse der bisherigen Erwerbsbiografie miteinbezogen.

Frauenspezifisch wirkt

Bei einer Gegenüberstellung der Wirkung der Programme von Frauenberufszentren und sonstigen vergleichbaren AMS-Angeboten für arbeitslose Frauen zeigten sich deutliche positive Wirkungen: Absolventinnen des Programms „Wiedereinstieg mit Zukunft“ verzeichneten im Jahr danach ein Plus von 84 Beschäftigtentagen, bei vergleichbaren anderen Programmen waren es nur 66 Tage. Auch Teilnehmerinnen an den Angeboten der Frauenberatungszentren waren mehr Tage beschäftigt als Teilnehmerinnen an vergleichbaren anderen Beratungen (66 Tage gegenüber 54 Tagen).

Die Angebote wirken besser und auch die Teilnehmerinnen sind zufriedener. Das mag daran liegen, dass dort spezifische Rahmenbedingungen adressiert werden und auf die konkrete Situation besser eingegangen wird. Auch Arbeitsmarktexpertin Hofbauer weist in ihrer Analyse auf dieses Faktum hin und argumentiert, dass diese genaue Zuspitzung der Angebote auf die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe auch für andere Angebote sinnvoll wäre.

Mögliche Erkenntnisse aus verschiedenen Ansätzen speziell für weibliche Arbeitsuchende

Die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen zeigt, dass die Frauenarbeitslosigkeit hartnäckig hoch bleibt und spezielle Zielgruppen besonders betroffen sind – etwa Wiedereinsteigerinnen.

Diese werden vor allem von spezifischen Programmen gut erreicht. Um zu verhindern, dass sich diese Frauen langfristig vom Arbeitsmarkt zurückziehen, ist es zentral, im Rahmen der arbeitsmarktpolitischen Interventionen auch entsprechende Erkenntnisse und Ansätze für Frauen bzw. spezifische Zielgruppen zu integrieren und den Zugang zu diesen Angeboten sicherzustellen.

In der von der Bundesregierung ins Leben gerufenen „Corona-Arbeitsstiftung“, die zusätzliche Budgetmittel von rund 700 Millionen Euro für die Weiterbildung von arbeitslosen Menschen freimacht, sind prinzipiell frauenfördernde Maßnahmen vorgesehen. Flexible Kinderbetreuungsangebote bei den Weiterbildungsinstituten, die Möglichkeit, Weiterbildungen auch in Teilzeit zu besuchen, sowie eine sanfte Steuerung der Ausbildungsplätze in zukunftsfähige Berufe (mit existenzsicherndem Einkommen) könnten mit der Weiterbildungsoffensive verwirklicht werden und Chancen für Wiedereinsteigerinnen bieten.

Klar ist aber auch, dass frauenspezifische Kurse und Programme zwar einen Anstoß zu einer besseren Arbeitsmarktintegration von Frauen geben können, insgesamt aber in der Krise die gesellschafts- und arbeitsmarktpolitischen Ungleichgewichte noch stärker zum Tragen kommen als sonst. Deswegen sind eine öffentliche Beschäftigungspolitik sowie mehr Mittel für eine innovative aktive Arbeitsmarktpolitik, vor allem auch eine deutliche Erhöhung der Mittel für das arbeitsmarktpolitische Frauenprogramm des AMS, nötig.