16 + 1 Beispiele warum Pseudonymität im Netz unverzichtbar ist / Netzpolitik.org

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    Von AMS-CARD

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    Das wir keine Klarnamenpflicht haben ist ganz einfach, nämlich um keine Benachteiligungen durch das AMS zu haben. Schließlich kennt man die Art mancher Mitarbeiter des AMS. Zwar kann man auf unserer Plattform seien Klarnamen verwenden und Beiträge Posten aber wer beim AMS ist oder in einem der Kursunternehmen ist sollte das nicht tun. Jedoch sollte jedem bewusst sein das wir jeden der glaubt nur, weil seinen Klarnamen nicht bekannt ist ausfallende oder abwertet Posten zu können sofort aus dem Forum verwiesen wird.  Auch werden Namen wie Kleines Arschloch oder dergleichen gelöscht. Für eine sachliche Diskussion sind solche Umgangsformen nicht nötig. Wir haben kein Problem mit freier Meinungsäußerung aber alles im Rahmen.

    Und nun zum Beitrag von Netzpolitik.org


    Pseudonymität ist in einer demokratischen Gesellschaft unverzichtbar. Wir haben 16 fiktive, aber alltägliche Beispiele aufgeschrieben, die zeigen, dass Pseudonymität dem Schutz der Grundrechte und der freien Entwicklung von Menschen dient. In unseren anschaulichen, lebensweltlichen kleinen Geschichten zeigt sich, dass die Möglichkeit unter einem erfundenen Namen im Internet aufzutreten, elementar für die Pressefreiheit, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Meinungsfreiheit, die Freiheit der Kunst, die informationelle Selbstbestimmung und die Religionsfreiheit ist.

    1. Du bist schwul in einem kleinen konservativen Dorf in Bayern und willst dich noch nicht outen, weil das zu Mobbing und Nachteilen führen könnte. Aber schwules Leben findet natürlich auch im Netz statt. Du bist froh, dass ein Pseudonym dich vor nervigen Angriffen auf Deine Person schützt.

    2. Du bist eine ausgewanderte Oppositionelle, die weiterhin gegen den autoritären Umbau der Türkei anschreiben will. Große Teile deiner Familie wohnen noch in der Türkei. Du willst weder deine Familie noch dich selbst in Gefahr bringen. Das Pseudonym schützt dich vor dem Zugriff türkischer Sicherheitsbehörden und deine Familie und Freunde vor Nachteilen.

    3. Du bist Angestellter in einem Verband, dessen politische Ausrichtung du nicht immer teilst. Du willst aber im Netz frei sagen, was du willst, ohne dass der Chef dich am nächsten Montag in sein Büro ruft. Du hast Verständnis dafür, dass dein Arbeitgeber nicht immer mit dir in Verbindung gebracht werden will und willst auch selbst nicht immer als Arbeitnehmer des Verbandes in der Öffentlichkeit stehen. Dein Pseudonym hilft dir, auch weiter unbeschwert und frei deine Meinung zu äußern.

    4. Du bist Journalist und recherchierst zur Bundeswehr. Du hast eine Community gefunden, in der sich Soldatinnen und Soldaten austauschen. Du meldest dich mit einem Pseudonym an, denn wenn Journalisten mit ihrem Klarnamen unterwegs sind, ist es nicht möglich, ungefilterte Informationen zu erlangen. Du erfährst mehr über die Soldaten, weil dein Pseudonym dir die verdeckte Recherche ermöglicht.

    5. Du willst einfach jemand anderes sein, weil es dir Spaß macht. Du hast Spaß an dem Spiel mit Rollen, versetzt dich gerne in andere Situationen, willst mit der Realität spielen und neue Dinge ausprobieren. Das Internet und die Möglichkeit, ein Pseudonym zu nutzen, bieten dir einen Raum für Kreativität.

    6. Du bist leidenschaftliche und anerkannte Autorin in der Wikipedia, wo du mit dem Pseudonym „Peter Fried“ auftrittst. Du hast dir diesen Account zugelegt, nachdem du gemerkt hast, dass es viel schwieriger war, als du unter deinem echten Frauennamen bei der Enzyklopädie mitgearbeitet hast. Dein Pseudonym ermöglicht dir, dein Geschlecht zu verschleiern und so ungestört zum freien Wissen der Welt beizutragen.

    7. Du bist Künstler und nutzt für manche deiner kreativen Werke ein Pseudonym. Das Pseudonym erlaubt dir einerseits, geheimnisvoll wie Banksy zu sein, und auf der anderen Seite kannst du andere Kunststile ausprobieren, ohne dass alle sagen, dass du jetzt deinen Stil geändert hättest. Durch Pseudonyme hast du mehr künstlerische Freiheit.

    8. Du bist ein demokratischer Schüler in einer sächsischen Kleinstadt. Um dich herum sind ganz schön viele Leute rechtsradikal. Du beobachtest Straftaten von Nazis und wie sie vom dörflichen Umfeld, von Lokalpolitik und Behörden gedeckt werden. Das Thema muss an die Öffentlichkeit, denn in einer Demokratie hättest du so etwas nicht für möglich gehalten. Du richtest dir auf Twitter den Account @meinrechtesdorf ein und begleitest die Vorkommnisse in Zukunft. Endlich passiert etwas und eine Öffentlichkeit gegen die Umtriebe entsteht. Wie gut, dass die Rechtsradikalen nicht wissen, wie dein echter Name lautet.

    9. Du verdienst dir neben dem Studium mit Sexarbeit etwas dazu. Hierzu nutzt du auch soziale Netzwerke, in denen du deine Dienstleistungen anbietest. Glücklicherweise musst du das nicht unter deinem echten Namen tun. Auch wenn du selbst voll hinter deinem Nebenjob stehst, muss ja nicht jeder wissen, was du tust. Dafür ist die Gesellschaft noch zu vorurteilsbeladen. Das Pseudonym schützt dich vor Anfeindungen, Nachteilen, Moraldiskussionen und anzüglichen Bemerkungen.
    10. Überall, wo du im Netz mit deinem echten Namen unterwegs bist, folgen dir als erstes deine Eltern. Du willst dich aber frei ausleben, und zwar ohne dass die Alten mal wieder hinter dir her helikoptern. Dein Pseudonym und ein Profilbild ohne dein Gesicht schützen deine freie Entwicklung als Teenager.

    11. Du bist aus dem Iran nach Deutschland gezogen, hast in der katholischen Gemeinde nette Menschen getroffen und zum Glauben gefunden. Du konvertierst zum Christentum – und möchtest als gläubiger Christ auch im Netz über das Thema Religion sprechen. Durch deine Konversion zum Christentum droht dir aber eine ernsthafte Verfolgung im Iran. Wenn du öffentlich dazu stehst, kannst du nie wieder deine Familie dort besuchen – ohne Angst zu haben, dass dir strafrechtliche Konsequenzen mit Folgen für Leib und Leben drohen.

    12. Du willst die lustigen, skurrilen und schönen Geschichten aufschreiben, die dir beim Aufziehen deiner Kinder passieren. Gleichzeitig bist du ein Mensch, der verantwortungsvoll mit der Privatsphäre deiner Liebsten umgehen will. Du entschließt dich, selbst unter Pseudonym zu schreiben, und gibst deinen Kindern fiktive Namen. Niemand soll später deinen Kindern die Geschichten unter die Nase halten können, sie sollen frei über ihr digitales Selbst bestimmen können. Die Möglichkeit zur Pseudonymität trägt zum Kinderschutz bei.

    13. In der niedersächsischen Firma, in der du arbeitest, gibt es Missstände. Du hast gesehen, wie ein Kollege, der die Probleme intern ansprach, plötzlich berufliche Nachteile hatte. Du versuchst deshalb, direkt den Weg an die Öffentlichkeit zu gehen, doch der Lokaljournalist will die Geschichte nicht bringen, weil die Firma ein guter Anzeigenkunde ist. Überregionale Journalisten sind nicht interessiert, weil das Thema zu komplex, zu klein und nicht heiß genug ist. Du entscheidest dich, ein Blog aufzumachen, in dem du das Erlebte verarbeitest. Du bist froh, dass ein Pseudonym dich schützt. Durch die von dir als Whistleblower hergestellte Öffentlichkeit ändert sich endlich etwas in deinem Betrieb.

    14. Du und dein Mann versuchen seit Jahren ein Kind zu bekommen. Irgendwas funktioniert medizinisch bei euch nicht, der Kinderwunsch bleibt unerfüllt. Du willst dich in Foren informieren, welche Optionen ihr als Paar nun habt. Du willst aber nicht, dass jetzt gleich die ganze Welt sieht, dass ihr ein Problem habt, das an euch nagt. Dein Pseudonym ermöglicht dir den Austausch mit anderen Betroffenen, ohne dass euer Fall gleich im Dorf breitgetreten wird.

    15. Du heißt Fatima, hast aber keine Lust immer gleich als Muslima aufzutreten. Du hast wegen deines Namens schon häufiger Diskriminierung erfahren, hast bei Jobs trotz guter Zeugnisse Ablehnungen erfahren und möchtest nicht, dass das auch noch online passiert. Dein Pseudonym macht dich frei, bis die Gesellschaft endlich soweit ist, dass Rassismus keine Rolle mehr spielt.

    16. Du hast eine äußerlich nicht sichtbare Behinderung. Das Thema bewegt dich, es geht um deine Gesundheit. Im Netz findest du einen Ort, wo du jede Menge Menschen mit der gleichen Behinderung treffen kannst. Es tut gut, sich auszutauschen. Dein Pseudonym schützt dich davor, dass deine Nachbarn und die ganze Welt deine ganz private Krankheit googlen können.

    Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Jeder und jede von uns kennt Menschen, die bei einer Klarnamenpflicht Nachteile erfahren würden. Wer sich tiefer einarbeiten will, findet im Geekfeminism-Wiki eine systematische Auflistung, welche Personengruppen besonders hart von einer Klarnamenpolitik betroffen sind.

    Wenn Ihr weitere Beispiele habt, freuen wir uns auf diese in den Kommentaren.

     

    Über den Autor/ die Autorin

    Markus Reuter

    Markus Reuter beschäftigt sich mit den Themen Digital Rights, Hate Speech & Zensur, Fake News & Social Bots, Videoüberwachung, Grund- und Bürgerrechte sowie soziale Bewegungen. Bei netzpolitik.org seit März 2016 als Redakteur dabei. Er ist erreichbar unter markus.reuter | ett | netzpolitik.org (OpenPGP) und auf Twitter unter @markusreuter_
     

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